Urlaubszeit - Das Tempo der anderen

Der Freund und ich sind mal wieder auf Reisen gegangen. Zum ersten Mal haben wir uns gegen eine Rundreise entschieden und dafür eine Woche an einem einzigen Ort zu verbringen. Porto in Portugal.

Wir schrieben unsere Packlisten, verglichen sie mit einander, setzten ein Häkchen für jede eingepackte Sache und dann waren wir auch schon in unserem kleinen und feinen Ferienappartment.

Und im Urlaub fällt es ganz besonders auf. Was im Alltag untergeht und leicht vergessen wird, was wir bei der Planung übersehen, weil unsere Ideen so gut zusammen passen und wir all die gleichen Sachen machen wollen. Die Vorstellungen, was wir im Urlaub tun möchten, sind bei uns extrem kompatibel.
Aber das Wie ist es nicht, unser Tempo ist es nicht. Am Anfang jedenfalls.



Der Freund ist abenteuerlustig. Er ist dabei mutig und auch wagemutig und manchmal draufgängerisch. Er will alles erleben, sofort. Die schönsten Plätze sehen, die besten Wege gehen, möglichst genau, möglichst effektiv. Seine Auffassungsgabe ist schnell, flink rauscht er durch fremde Umgebungen und hält nur für kurze Pausen inne. Von morgens an ist er bereit. In omnia paratus! Und Verzögerungen und Chaos - was alles ist, was er nicht auf Anhieb ganz nachvollziehen kann - nerven und stressen ihn.



Ich bin im Urlaub. Das bedeutet für mich, dass ich nichts muss und alle Zeit der Welt habe. An manchen Morgenden brauche ich drei Stunden wach sein, um zögernd raus zu gehen. Neues Umfeld und fremde Straßen voller Straßenverkehr verlangsamen mich. Um nicht die Orientierung zu verlieren, muss ich stehen bleiben. Wieder und wieder. Meine Grenzen möchte ich gar nicht erreichen, nicht im Urlaub und ich erlebe lieber weniger oder verteile das Erleben auf zwei Tage, als dass ich es nicht mehr richtig genießen kann, weil ich vor lauter neuen Reizen kaum noch geradeaus schauen kann.



Das ist eine Falle, in die wir zu jedem Urlaubsbeginn tappen. Während ich mich zu zu viel gedrängt fühle und der Freund so schnell ist, dass ich vor lauter Versuchen hinterher zu kommen noch langsamer werde, leidet der freund, weil er uns beide voran ziehen muss.
Reden hilft und nach dem ersten Fallentag folgen ein paar Tage, in denen wir uns bewusst werden und versuchen unser Muster zu ändern und und uns damit gegenseitig wahnsinnig machen.



Z.B. entdeckt der Freund bei jeder noch so kleinen Aktivität Zusatzwege, auf die ich nie kommen würde, weshalb auch die kurze Geocache-Tour zu nur einem Cache zu einer drei Stunden Tour wird. Aber er ist bei jedem Zusatzweg so begeistert (bestimmt ist der Blick von da oben noch besser, vielleicht ist es dort hinten noch schöner, vermutlich ist die nächste Bank viel gemütlicher) und Zusatzwege erscheinen zuerst immer sehr klein und ich lasse mich überreden. Der Freund sorgt für Muskelkater.
Und ich bringe das Chaos. Führe uns in die Mitte eines Labyrithes, um dann fest zu stellen, dass wir da nicht hin mussten, uns wieder raus zu führen, um zu sehen, dass unser Ziel am anderen Ende ist. Effektiv ist das nicht, aber dabei habe ich so viel Spaß und finde es so witzig, dass der Freund sich überreden lässt.



So arbeiten wir uns aneinander ab, bis wir uns nach ungefähr einer Woche auf ein gemeinsames Tempo eingepegelt haben, langsamer, entspannter und weniger Optimierungsorientiert als seins und etwas weniger vorsichtig, aktiver und flotter als meins.
Zwischendurch lachen wir über uns, in unseren Bemühungen um Harmonie mit einander und allem um uns herum, erleben Abenteurer, fühlen uns wie Entdecker*innen und genießen gemeinsam.
Der Freund ist meine Lieblingsurlaubsbegleitung, mit allen Herausforderungen und all den wundervollen Momente.

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