Horizonterweiterung

Am Wochenende war ich zum ersten Mal in meinem Leben babysitten. Mit Mitte zwanzig bin ich da ziemlich spät dran, aber hey, immerhin jetzt mal.

Ich habe auf die sechsjährige Tochter von Freunden aufgepasst, die mal wieder zu zweit feiern gehen wollten. Von neun bis drei abends/nachts war ich da und meine Einweisung belief sich auf: "Ach, eigentlich musst du nichts wissen, die Tochter schläft schon und die schläft durch. Du wirst gar nichts von ihr mitbekommen." Und -zack- waren die Eltern aus der Tür raus.

Keine zehn Minuten später stand die kleine im Wohnzimmer vor mir, begann von ungefähr fünfzehn Leuten zu erzählen, die ich alle nicht kannte und mir dabei Kleinigkeiten aus ihrer Schatzkiste zu zeigen. Währenddessen dachte ich noch: "Ich lass sie mal, in 'ner halben Stunde ist sie bestimmt eh müde." Aus den Erzählungen wurden ausführliche Vorführungen aller Turnübungen und Gebärden, die sie beherrschte und dann wurden aus ihrem Zimmer diverse Puppen und Kuscheltiere angeschleppt und vorgestellt.
Beim fünften verlagerte ich die ganze Gesellschaft ins Kinderzimmer, "damit das Bett sich auch nicht einsam fühlen würde", denn mir schien es noch unmöglicher Kind samt Kuscheltiermannschaft wieder ins Bett zu bekommen, als nur das Kind.
Ich musste ziemlich über mich selbst lachen, als ich mich dabei erwischte immer, wenn das Kind nicht hin schaute, meiner Mutter Nachrichten zu schicken, in denen ich den ultimativen Trick hören wollte, um sie ins Bett zu bringen, nachdem die selbstgeschriebenen Einschlafgeschichten meiner Mutter, die ich früher immer geliebt hatte, so gar nicht zogen.
Als die kleine um kurz vor elf Uhr, nachdem ich alle Spielzeuge kennen gelernt, den Versuch noch zuckerhaltige Getränke zu trinken verhindert und Schreib- und Zählfähigkeiten gezeigt bekommen hatte, verkündete sie sei noch nie so lange wach gewesen, kam ich mir wie die ultimative Verräterin aller vernünftigen Kinderumsorgenden Personen vor.
Aber ich habe wirklich keine Ahnung, was ich zu tun habe, wenn ein Kind verkündet, dass es auf gar keinen Fall diese Nacht auch nur ein Auge zu tun wird und ja, wahrscheinlich bin ich definitiv nicht streng genug.
Um kurz vor zwölf Uhr kam mir endlich eine Idee. Ich bot an, dass sie ja auch wo anders schlafen könne, wenn sie nicht ins Bett wolle. Im Bett ihrer Eltern, auf dem Sofa bei mir,... Und sie war begeistert, wir bauten ihr ein superkuscheliges Nest auf ihrem Zimmerboden, ich sorgte für die richtige Kassette im Recorder und eine Wärmflasche an den Füßen, löschte das Licht und stapfte Richtung Wohnzimmer. Verabschiedet wurde ich mit: "Für eine Minute versuche ich einzuschlafen, nicht länger!"
Noch eine halbe Stunde später, als ich auf dem Sofa schon eingeschlafen war, weil das alles einfach auf eine ganz neue Art so ANSTRENGEND gewesen war, hörte ich die geschriene Frage, ob eine Minute denn nun um sei. Schlaftrunken verneinte ich und hoffe, dass ich mit dieser Lüge keinen bleibenden Schaden hinterlassen habe und das Kind nun für immer der festen Überzeugung bleibt, eine Minute sei länger, als eine halbe Stunde..

Die Eltern haben die verspätete Zubettgehzeit glücklicherweise ziemlich cool genommen und ich bin jetzt schon gespannt, wie die nächste Runde babysitten wird. Insgesamt ist die Tochter der Freunde nämlich wirklich zuckersüß!

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