Ein Kommentar zu Kommentaren (kein Raum für Sexismus)

Ich sollte wirklich aufhören mir Kommentare im Internet durchzulesen.
Gerade eben, ich habe nur kurz den Spiegel online Artikel über Merkels Ablehnung der Änderung der Nationalhymne überflogen, bin ich dann doch irgendwie unten in die Kommentare abgerutscht.
Ein großer Fehler. Das macht mich immer alles so wütend! (Ob man da professionelle Distanz aufbauen kann?)

Die meisten Leute beschweren sich über die Unwichtigkeit des Vorschlages der Frauenbeauftragten. Meistens mit der Begründung, dass es doch viel größere Probleme zu lösen gäbe. Oder darüber, dass man es mit dem "Genderwahn" auch übertreiben könne und sich mal alle echt nicht so anstellen sollten, denn Sprache wäre halt so und es wären ja alle mit gemeint. (Die meisten scheinen tatsächlich nie etwas hinterfragt zu haben, was ihrem "normal" entspricht, jedoch große Angst davor zu haben, wenn es sie schon bedroht, dass andere das tun.)

Zum ersten Punkt: Weil sich mit "kleineren Themen" beschäftigt wird, wird deshalb nicht überall auf Stopp gedrückt und den großen Themen, an deren Lösung seit Jahrzehnten gearbeitet wird, der Raum genommen. Außerdem trägt die Lösung von kleinen Problemen dazu bei, dass große irgendwann gelöst werden können.

Sexismus ist tief in unserer Gesellschaft verankert, auch in der Sprache. Und ein Teil davon Sexismus keine Chance mehr zu geben und es normal werden zu lassen, dass Sexismus eben nicht mehr vorkommt, ist die Sprache zu verändern. Denn Sprache ist wandelbar.
Sie befindet sich ständig im Wandel. Wir reden heute anders, als vor 10 Jahren und übernehmen täglich neue Wörter in unseren Sprachgebrauch und lassen andere dafür ziehen. Warum kommt es vielen so anstrengend vor Goethe zu lesen? Eben weil unsere Sprache sich seit Goethes Zeit verändert hat.
An dieser stelle möchte ich gerne Kettcar zitieren, eine meiner Lieblingsbands, die in ihrem Lied "Deiche" sangen: "Nur weil man sich so dran gewöhnt hat, ist es nicht normal, nur weil man es nicht besser kennt, ist es nicht, noch lange nicht, egal."
Das es so ist, wie es ist, kann nie eine Begründung dafür sein, dass es so bleiben muss.

Viele der Kommentator*innen kommen auch zu einem schrägen Umkehrschluss: Die Idee, die Nationalhymne so umzuformulieren, dass offensichtlich nicht nur Männer sondern alle Menschen gemeint sind, nehmen sie zum Anlass zu unterstellen, dass Feminist*innen und andere sich gegen Sexismus Einsetzende am liebsten eine Umstellung von allen nur Männer einschließenden Worten und Formulierungen auf solche, die nur Frauen einschließen bevorzugen würden. Das ist natürlich Quatsch. Denn bei den meisten Feminismen und bei anti-Sexismus geht es genau darum: Um anti-Sexismus. Um eine Gleichstellung aller Geschlechter, nicht darum ein anderes als bisher höher zu gewichten.

In meinem Lieblings-Kommentar (hust) stellt ein*e Leser*in die Vermutung an, dass in den nächsten Tagen Margarete Stokowski sicher über die Wichtigkeit dieser Idee schreiben wird. Falls sie das tut, freue ich mich sehr darauf, denn ich lese ihre Artikel ganz besonders gerne und finde, dass diese Frau wirklich was zu sagen hat, im Gegensatz zu den meisten online-Kommentar-Schreiber*innen!
Wer also Lust hat auf eine schöne, wöchentliche Kolumne: Sucht bei Spiegel online nach Margarete Stokowski ;)

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